3 Augen-Screening psychologischer Faktoren in der muskuloskelettalen Physiotherapie

Prinzipiell lassen sich drei Wege für ein  Screening psychologischer Faktoren unterscheiden:

  1. die direkte Kommunikation mit dem Patienten in Form von Interviews und laufenden Diskussionen
  2. mehrdimensionale Screening-Fragebögen
  3. eindimensionale Fragebögen

(Beneciuk et al., 2014; Mirkhil und Kent, 2009; Nicholas et al., 2011; Bergbom et al., 2014).

Ein Red Flag-Screening auf relevante pathologische Faktoren (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) erfolgt traditionell mit dem Grundgedanken, dass das Risiko eines schlechten Therapieergebnisses verringert werden kann, wenn bestimmte Erkrankungen frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden. Diese Begründung für ein frühes Screening kann auch auf psychosoziale Faktoren angewandt werden, die das Ergebnis von Muskel-Skelett-Beschwerden negativ beeinflussen können (z.B. Übergang in die Chronizität), wenn sie nicht frühzeitig während der Behandlungsphase erkannt und angegangen werden.

Ein konkretes Beispiel für den Drei-Augen-Screening-Prozess würde darin bestehen, dass

(1) das Patientengespräch in Verbindung mit einer klinischen Untersuchung den Kontext des Patienten verständlich macht (z.B. Lebens-, Arbeits-, soziale und wirtschaftliche Umstände, Aktivität/Fitness-/Übungsverhalten) und die “Perspektiven des Patienten auf das Schmerz-/Behinderungserlebnis” aufdeckt;

(2)mehrdimensionale Screening-Instrumente eingesetzt werden (z.B. STarT-Back-Tool für Patienten mit Rückenschmerzen), um diejenigen zu identifizieren, die ein hohes Risiko für anhaltende Beschwerden haben, das primär auf dem Einfluss psychosozialer Faktoren beruht; und

(3) eindimensionale Messungen zur spezifischen Identifizierung psychologischer Faktoren erfolgen, auf die die Behandlung abzielen sollte (z. B. schmerzbedingte Angst mit Tampa-Skala für Kinesiophobie);  diese sollten kurz vor Behandlungsbeginn zum Einsatz kommen und zur Überwachung der Veränderung im Verlauf psychologisch informierter Interventionen dienen.

Eindimensionale Messungen können dabei speziell dann Sinn machen, wenn Patienten mit einem hohen Risiko für eine anhaltende Behinderung identifiziert wurden  (auf der Grundlage eines mehrdimensionalen Screenings) oder wenn in bestimmten Fällen der negative Einfluss eines bestimmten psychologischen Konstrukts während der Befragung des Patienten offensichtlich wird und somit eine objektivere Bewertung erforderlich werden kann. 

Laufende Gespräche mit dem Patienten werden dann iterativ genutzt, um bestimmte Antworten aus mehrdimensionalen und eindimensionalen Screening-Fragebögen zu klären und so ein tieferes Verständnis für die Sichtweise des Patienten und seiner Erfahrungen zu ermöglichen.

Literaturangaben

Primärquelle: Jones, M. A., & Rivett, D. A. (2018). Clinical Reasoning in Musculoskeletal Practice-E-Book. Elsevier Health Sciences.