Das Puzzle des Schmerzes … ist noch viel komplexer
Therapeuten sollten erkennen, dass die Grenzen des Biologischen, Psychologischen und Sozialen künstlich sind, und dass Schmerz nie rein biologisch, psychologisch oder sozial ist. Die Erklärung für die Wahrnehmung von Schmerz geht über diese Konstrukte hinaus. Ebenso kann es für Therapeuten und Patienten hilfreich sein, sich von modularen oder mereologischen Irrtümern zu lösen. Im Hinblick auf die Patientenaufklärung erwarten wir, dass der enaktive Ansatz Ärzten helfen kann, aktuelle und problematische Schmerzerklärungen wie Schmerzen im Gehirn zu vermeiden oder Ihr Gehirn umzuschulen. Es kann auch Ärzte herausfordern, die das Gefühl haben, die Ursache von Schmerzen identifizieren zu können (z.B. haben Sie Schmerzen, weil Ihre Muskeln schwach sind). Wir bieten eine enaktive Alternative;
Alle Schmerzen sind real und beziehen immer viele Faktoren mit ein, die aus der Interaktion des GESAMTEN Menschen mit seiner Umwelt entstehen (Schmerz entsteht genau genommen nicht nur im Gehirn oder im Rücken). Wenn es glaubwürdige Informationen dafür gibt, dass dieser Mensch in Gefahr oder bedroht ist, werden Schmerzen auftreten. Diese enaktive Schmerzerklärung passt zum Ansatz von Moseley und Butler (2017), unterscheidet sich aber in der theoretischen Grundlage und hält sich vom Neurozentrismus fern, der zu Verwirrung von Patienten beitragen bzw. als Stigmatisierung empfunden werden kann („der Schmerz ist in ihrem Gehirn“ oder „train your brain“).
Schmerz entsteht in einem Menschen, der mit seiner Umwelt interagiert…nicht in Neuronen, Hirnen oder Körpergeweben
„Zu sagen, dass Schmerz im Gehirn „steckt“ oder entsteht, ist als würde man sagen, dass der Flug in den Flügeln eines Vogels „steckt“ oder dort entsteht. Ein Gehirn wird sicher benötigt, um Schmerzen zu haben, und Flügel braucht man, um zu fliegen- aber wenn man Schmerz oder Fliegen verstehen will, muss man das Gesamtbild und die Beziehungsstruktur zwischen einem Menschen (mit einem Körper/Gehirn) und seinem sozialen/umweltbezogenen Kontext bzw. zwischen dem Vogel und der Atmosphäre berücksichtigen. Daraus folgt, dass die Erfahrung von Schmerzen nicht in Neuronen, Gehirnen oder anderen Körpergeweben zu finden ist. Das Gewebe im Körper oder die Netzwerke im Gehirn sind nicht der Schlüssel zum Schmerz, sondern Teile eines größeren Systems, das sich anpasst und danach strebt, in der Zukunft weiter bestehen zu können. Dabei geht es immer um die Umwelt, die wir gestalten und die uns prägt.