Erwartungen von Therapeuten an ihre Therapie und der Einfluss auf das Therapieergebnis: „YOU GET WHAT YOU EXPECT“!
Unsere Patienten haben nicht nur Erwartungen an unsere Therapie, wir haben auch Erwartungen an uns als Therapeuten. Wir haben Erwartungen an die Art und Weise, wie der Patient auf unsere Behandlung reagieren soll. Wir haben auch Erwartungen, welche Interventionen für welche Patienten „funktionieren“, was sich primär durch unsere Ausbildung und selektive Erfahrungen entwickelt hat. Solche vorgefassten Meinungen (Bias) über die Wirksamkeit einer spezifischen Behandlung beeinflussen die Schmerz- und Funktionsergebnisse: In einer pragmatischen Studie in der Gelenkmanipulation (-mobilisation) mit bzw. ohne Impuls als Interventionen bei Rückenschmerzen verglichen wurden, waren beide Interventionen ähnlich erfolgreich. Die Neigung des Therapeuten für eine der beiden Interventionen („persönliche Equipoise“) bestimmte jedoch signifikant das Behandlungsergebnis (Cook et al. 2013).
Analog dazu konnte eine Arbeit von Bishop et al (2017) zeigen, dass die Präferenz (der Bias) von Therapeuten für eine Intervention, egal welcher Art, die anschließende Schmerzlinderung stark bestimmt. Die Wahrscheinlichkeit eines Probanden mit einen experimentell induzierten, akuten Rückenschmerz direkt nach einer spezifischen manuellen Technik eine vom Patienten erwartete Schmerzreduktion zu erreichen, war 68-fach höher, wenn der Behandler eine starke Präferenz für diese Intervention hatte im Vergleich zur Situation ohne Präferenz. Die Überzeugungen eines Therapeuten mit einer Intervention zu helfen, stehen dabei stark mit dem klinischen und zwischenmenschlichen Verhalten des Therapeuten in Zusammenhang (Boulanger & Campo 2013).
Wenn eine Intervention also funktioniert, könnte das sehr viel mehr mit dem Bias des Therapeuten bzgl. dieser Intervention zu tun haben als mit der Intervention per se. Das könnte auch erklären, warum dieselbe Technik bei einem Therapeuten scheinbar funktioniert, ein anderer dagegen eine ganz andere Erfahrung macht.
Nicht nur im Alltag, auch im Rahmen von RCTs, muss man sich bzgl. des Ergebnisses die Frage stellen, ob die behandelnden Therapeuten wirklich neutral bzgl. der untersuchten Interventionen waren (persönliche und klinische Equipoise, Cook & Sheets 2011). Sonst evaluiert man eventuell stärker die Neigung der behandelnden Therapeuten mit allen Kontexteffekte, die dadurch entstehen, als die Wirksamkeit einer Intervention.
Literaturangaben
Primärquelle: Cook et al. (2012) Early use of thrust manipulation versus non-thrust manipulation: a randomized clinical trial