Wie kommt es eigentlich zur Regression von lumbalen Bandscheibenvorfällen (LDH)?

Die Resorption des Bandscheibengewebes kann durch 3 Theorien erklärt werden, der genaue Mechanismus ist jedoch nicht abschließend geklärt:

  1. Das Bandscheibenvorfall-Material wird aufgrund der allmählichen Dehydrierung und Schrumpfung an Größe verlieren, was die Abnahme des Signals der Bandscheibe im MRT erklären könnte. (Henmi et al. 2002, Slavin et al. 2001)
  2. Die Spannung des posterioren longitudinal Ligamentes führt dazu, dass das Fragment des Bandscheibenvorfalls wieder in den intervertebralen Bandscheiben-Raum zurückgezogen wird (Onel et al. 1989). Dies kann ein Mechanismus sein wenn der Annulus Fibrosus (AF) nicht beschädigt ist, aber nicht bei extrudierten und migrierten Fragmenten. (Teplick & Haskin 1985)
  3. Die dritte Theorie, die am besten untersuchte und mit der besten klinischen Evidenz,  ist die allmähliche Resorption der Hernie durch enzymatischen Abbau und Phagozytose, die durch eine Entzündungsreaktion und Neovaskularisation hervorgerufen wird. Diese Entzündungsreaktion soll ausgelöst werden, wenn Bandscheibenmaterial in den Epiduralraum gedrückt wird. (Autio et al. 2006, Kobayashi et al. 2009, Yoshida et al. 2005, Doita et al. 2001)

Neovaskularisation, Makrophagen und andere Immunzellen bei der LDH-Resorption

Makrophagen sind als die wichtigsten „Immunspieler“ im Resorptionsprozess von Bandscheibenvorfällen bekannt und sind innerhalb der Hernie zu finden. (Ikeda et al. 1996, Koike et al. 2003, Rothoerl et al. 1998, Shamji et al. 2010). Diese Zelltypen nehmen das Herniationsgewebe auf, um es in den Lysosomen zu verarbeiten (Phagozytose). Im Sequester-Subtyp zeigen sich unter dem Mikroskop deutlich mehr Makrophagen als im Protrusion-Subtyp, was eine Erklärung ist, warum der Sequester eher zur Resorption neigt. (Kobayashi et al. 2009, Henson 1980, Tsuru et al. 2001, Haro et al. 1996)

In der Regel gibt es nur wenige Blutgefäße in der reifen intervertebralen Bandscheibe. Die Proliferation neuer Gefäße kann am Rand des Herniationsgewebes nachgewiesen werden und stellt einen der wichtigsten Faktoren für die spontane Regression von LDH dar. In der Bildgebung (MRT) zeigen sich Kapillaren, die in die Herniation eindringen und Makrophagen, die aus diesen Kapillaren wandern. (Autio et al. 2006, Ozaki et al. 1999, Kobayashi et al. 2009). Die beteiligten Mediatoren an der Neovaskularisation sind u.a. TNF-alpha, VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor ) und basischer Fibroblasten-Wachstumsfaktor (bFGF). (Haro et al. 2002, Jia et al. 2009)

Die Autoimmunreaktion ist weitaus komplexer als die bisher beschriebene reine Makrophagen-Rekrutierung und Neovaskularisation. Tatsächlich sind neben den Makrophagen viele andere Immunzellen beteiligt.

Wie kommt es eigentlich zur Resorption eines BS-Vorfalls?

  • a Schematische Darstellung einer typischen L4-L5-Hernie mit Kompression und möglicher Ruptur des hinteren Längsbandes (PLL).
  • b Menschliches LDH-Fragment, gewonnen von einem Patienten, der sich einer Mikrodiskektomie unterzog.
  • c Histologische Färbung des in (b) entnommenen Gewebes, die Zellcluster zeigt, die Proteoglykane (alcianblau) produzieren, eingebettet in eine Kollagenmatrix (pikro-siriusrot).
  • d Die LDH wird derzeit anhand der MRT in vier Subtypen eingeteilt: Vorwölbung der Bandscheibe (mildeste Form), Protrusion, Extrusion und Sequestrierung, die ausgeprägteste Form der LDH. Der proteinreiche Nucleus pulposus im Zentrum ist umgeben von kollagenreichen konzentrischen Ringen des Annulus fibrosus.

Wahrscheinlicher Mechanismus der Resorption eines Bandscheibenvorfalls

Sowohl herniertes Bandscheibengewebe als auch Makrophagen produzieren Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-alpha), Monozyten-Chemoattractant-Protein (MCP)-1, Matrix-Metalloproteinasen (MMPs), Interleukin (IL)-6, IL-8, Prostaglandin E2 (PGE2),Cyclooxygenase 2 (COX2) und Stickstoffmonoxid (NO), die zur Entzündungsreaktion und Resorption des Herniationsgewebesbeitragen. Der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF) induziert das Einwachsen von Blutgefäßen und die Neovaskularisierung, die die Mobilisierung von Immunzellen an der Hernationsstelle unterstützen. Im Rattenmodell der IVD-Hernie sind CD68+ Makrophagen in der Hernie lokalisiert (abgegrenzt durch die gestrichelte Linie), die auch ein Blutgefäß umfasst.

Literaturangaben

  1. Zhong et al. (2017) Incidence of Spontaneous Resorption of Lumbar Disc Herniation: A Meta-Analysis
  2. Henmi et al. (2002) Natural history of extruded lumbar intervertebral disc herniation
  3. Slavin et al. (2001) Spontaneous regression of a large lumbar disc herniation: report of an illustrative case
  4. Teplick et al. (1985) Spontaneous regression of herniated nucleus pulposus
  5. Autio et al. (1976) Determinants of spontaneous resorption of intervertebral disc herniations
  6. Kobayashi et al. (2009) Ultrastructural analysis on lumbar disc herniation using surgical specimens: role of neovascularization and macrophages in hernias
  7. Yoshida et al. (1976) Intervertebral disc cells produce tumor necrosis factor alpha, interleukin-1beta, and monocyte chemoattractant protein-1 immediately after herniation: an experimental study using a new hernia model
  8. Ikeda et al. (1996) Pathomechanism of spontaneous regression of the herniated lumbar disc: histologic and immunohistochemical study
  9. Koike et al. (1976) Angiogenesis and inflammatory cell infiltration in lumbar disc herniation
  10. Shamji et al (2010) Proinflammatory cytokine expression profile in degenerated and herniated human intervertebral disc tissues
  11. Ozaki et al. (1999) Neovascularization of the outermost area of herniated lumbar intervertebral discs
  12. Haro et al. (2002) Vascular endothelial growth factor (VEGF)-induced angiogenesis in herniated disc resorption
  13. Jia et al. (2009) Stromal cell-derived factor-1 and vascular endothelial growth factor may play an important role in the process of neovascularization of herniated intervertebral discs